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„Bezahlbares Wohnen ist die größte Herausforderung“

Klimaneutralität bis 2045, das ist ein hohes Ziel, aber ist es auch erreichbar? Wie kommt die WGW auf diesem Weg voran, wie gut ist der Wohnungsbestand aufgestellt und welche Vorhaben stehen an? Das Vorstandsteam Christine Stehr und Eduard Winschel sprechen über Projekte, Hindernisse und Wünsche.

Welche Pläne gibt es für 2024, was erwartet die Mitglieder?
Christine Stehr: „Wir haben langfristige Pläne, die sich an dem orientieren, was notwendig ist, um unsere Gebäude dauerhaft zu erhalten. Für unsere Mitglieder sind natürlich die Modernisierungen zur Reduzierung der Energiebedarfe interessant, denn sie wirken sich nicht nur auf die Klimabilanz, sondern auch direkt auf den Geldbeutel aus. Bei den Projekten für 2024 ist wieder eins dabei, bei dem wir außerdem durch den Ausbau des Staffelgeschosses ein paar neue Wohnungen schaffen können.“

Ein Neubauprojekt ist in der Pipeline, am Wiesenredder in Rahlstedt, einem ehemaligen Schwimmbad. Wie ist der aktuelle Stand?
Christine Stehr: „Bevor es dort losgehen kann, muss ein vorhabenbezogener Bebauungsplan erstellt werden. Ein gutes Verfahren, um zusätzliche Bauflächen zu erschließen, aber auch ein langwieriges, weil viele Beteiligte mitmischen und viele Interessen unter einen Hut gebracht werden müssen. Wenn dringend Wohnraum benötigt wird, steht sich so ein System dann manchmal selbst im Weg, erst recht, wenn sich Baukosten und Finanzierungsmöglichkeiten mit der Zeit ungünstig entwickeln. Wir bleiben aber optimistisch, dass am Ende des Weges ein schönes Wohngebiet für unsere Mitglieder entstehen wird.“

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten – an die Stadt Hamburg oder die Bundesregierung, wie lautete dieser Wunsch?
Christine Stehr: „Im Wohnungsbau gibt es, von hohen Bau- und Finanzierungskosten bis hin zur Klimaschutzgesetzgebung, inzwischen eine derart komplexe Gemengelage, dass es immer schwieriger wird, wieder in Schwung zu kommen. Für die Neubauprojekte, die jetzt noch laufen, wäre es wichtig, dass die Genehmigungsprozesse schneller vorankämen und die Kostensituation insgesamt realistisch erfasst würde. Denn am Ende wirkt sich jede zusätzliche Anforderung direkt auf die Mieten aus. Genauso drängend ist die Situation im Wohnungsbestand. Sicher braucht es auch mal Druck, um Dinge voranzubringen, doch hilft es nicht, wenn Gesetze dann mit der heißen Nadel gestrickt werden. So hätte ich mir bei mancher Entscheidung der vergangenen Monate mehr Weitblick und ein noch fundierteres Abwägen der Konsequenzen gewünscht. Um im Bild zu bleiben: Im Handwerk käme niemand auf die Idee das Dach abzureißen, ohne vorher zu überlegen, wie man das Haus anschließend wieder dichtbekommt. Statt Verärgerung oder auch Sorge, sich die Wohnung oder das Heizen nicht mehr leisten zu können, brauchen wir auf breiter Basis Akzeptanz für die anstehenden Veränderungen – und Menschen, die positiv an die Dinge herangehen und auch selbst etwas beitragen möchten.“

Wie ist die WGW beim Verringern von CO2 und Energiesparen aufgestellt?
Eduard Winschel: „Wir sind auf einem guten Weg. Im Vergleich zu 1990 haben wir auf Basis der Verbräuche 2022 etwa 55 Prozent CO2 bei unserem Wohnungsbestand eingespart. Mit den energetischen Modernisierungen von 2023 sowie der Photovoltaik-Anlage und dem neuen LED-Lichtkonzept der Geschäftsstelle werden weitere Prozente eingespart. Natürlich hängt alles auch vom Verhalten des einzelnen Mieters ab, ob Energie gespart oder verschwendet wird.“

Sind Sie optimistisch mit dem Wohnungsbestand die Klimaziele bis 2045 zu erreichen?
Eduard Winschel: „Der erste Meilenstein ist das Jahr 2030. In Hamburg müssen 70 Prozent CO2 eingespart werden. Nach Erfahrungswerten schaffen wir das mit unseren aktuellen Plänen. Wir prüfen bei Modernisierungen jedes einzelne Gebäude, vorerst Wohnanlagen, die energetisch weniger gut aufgestellt sind.“

Segen oder Fluch? Wie steht es um die Digitalisierung bei der WGW?
Eduard Winschel: „Es ist etwas von beidem. Ein höherer Digitalisierungsgrad soll die Arbeit erleichtern, aber bindet auch Personalkapazitäten. Wir wollen den Weg jedoch weitergehen. Vor allem auch, um den Service für unsere Mitglieder zu verbessern, etwa durch die digitale Bereitstellung von Betriebs- und Heizkostenabrechnung. Nach der mobilen Wohnungsabnahme und der Verkehrssicherung folgt nun der nächste Schritt, digitale Rechnungen. Das läuft teils jetzt schon.“

Haben Sie ein Lieblingsprojekt?
Christine Stehr:
„Viele Projekte schlummern ja schon eine Weile in der Schublade, bis der richtige Zeitpunkt kommt, um sie realisieren zu können. Dann ist es immer ein Erlebnis, wenn am Ende alles so wird, wie man es sich vorgestellt hat. Ein neuer Nachbarschaftstreff in Eidelstedt ist daher genauso ein Lieblingsprojekt wie eine Großmodernisierung in Marienthal oder die Planung neuer Wohnungen in Rahlstedt. Jedes einzelne hat für unsere Mitglieder eine Bedeutung und bringt die Genossenschaft weiter. Abseits vom einzelnen Projekt, empfinde ich es aber auch als ganz große Chance, daran mitarbeiten zu können, dass wir zukünftig vielleicht auf fossile Energieträger verzichten können – auch, wenn das nicht einfach wird.“

Was liegt Ihnen besonders am Herzen?
Eduard Winschel:
„Unseren Kindern eine lebenswerte Umwelt zu ermöglichen. Für mich stellt sich nicht die Frage, ob wir es schaffen. Wir müssen es.“

Vor welchen Herausforderungen steht die WGW?
Christine Stehr:
„Wir haben immer in den Erhalt unserer Gebäude investiert und modernisieren schon seit Anfang der 2000er Jahre schrittweise auch in energetischer Hinsicht. Energie zu sparen, Ressourcen zu schonen und den Ausstoß von CO2 zu reduzieren sind schließlich keine neuen Ziele. Leider gab es dabei nie sinnvolle Alternativen zur Gasheizung. In Gebieten, in denen es bislang und vermutlich auch in naher Zukunft keine Fernwärmeversorgung gibt, scheint für die Erzeugung von Wärme dann die Wärmepumpe aktuell die einzige Alternative. Ob über den Fernwärmepreis, hohe Investitionen, Strom- und Wartungskosten oder CO2-Abgabe – teurer wird es also in jedem Fall. Die Wärmewende ist daher nur einer von vielen Punkten, der großen Einfluss auf die Wohnkosten hat. Weitere gesetzliche Vorgaben – von Photovoltaikpflicht über das Gründach bis zur Ladeinfrastruktur und immer noch weiter ansteigende energetische Standards – machen es zunehmend schwieriger, das Wohnen bezahlbar zu halten. Als Genossenschaft bleibt aber genau das eines unserer wichtigsten Ziele und damit auch die größte Herausforderung.“

Eduard Winschel: „Nicht nur die WGW, die Gesellschaft steht vor der Herausforderung der CO2-Reduzierung bei politisch wechselnden Rahmenbedingungen, etwa bei den KfW-Förderprogrammen. Aus unserer Sicht und für langfristige Pläne wechselt das zu oft, sogar innerhalb eines Jahres. Mein Wunsch an die Regierung: Mehr Verlässlichkeit durch Rahmenbedingungen, die länger Bestand haben.“

Vielen Dank für das Gespräch.

Geplante Projekte 2024

Rauchstraße 7-9, Tratzigerstraße 16:
Energetische Modernisierung inklusive Dachgeschoss-Ausbau

Wildacker 5-11:
Fassade und Kellerdecke dämmen, Balkone instandsetzen, Fenster im Treppenhaus modernisieren – mit Wärmeschutzverglasung

Wildacker 39-45:
Fassade und Kellerdecke dämmen, Fenster im Treppenhaus modernisieren – mit Wärmeschutzverglasung

Beerenhöhe 18:
Treppenhaus und Tiefgarage abdichten, Vorplatz erneuern