Die Idee der Gartenstadt – nie war sie so aktuell wie heute

Bis heute ist die Wohnungsbaugenossenschaft Gartenstadt Wandsbek eG auf mehr als 3.250 Wohnungen im Hamburger Stadtgebiet und über 5.800 Mitglieder angewachsen. Neubauten mit entsprechenden Anforderungen an die Grundrissgestaltung und an den Energiebedarf gehören genauso zum Bestand wie unsere ehemalige Keimzelle, die Gartenstadtsiedlung. Die Modernisierung der Bestandsbauten in energetischer Hinsicht und die Anpassung der Wohnungen an moderne Standards ist eine der Hauptaufgaben der Genossenschaft.

Die Gartenstadtsiedlung wird seit den 1990er Jahren behutsam aber umfassend modernisiert. Der Erneuerung der Dächer und der Instandsetzung der Fassaden folgen weitere Baumaßnahmen, wie die Erneuerung der Heizungsanlagen, Austausch der Fenster sowie eine komplette Innenmodernisierung bei Wohnungswechseln. Im Vordergrund steht dabei immer der Erhalt des städtebaulichen Ensembles, das unter Milieuschutz steht.

Neben ihren Kernaufgaben widmet sich die Genossenschaft heute zunehmend dem gemeinschaftlichen Engagement. Angebote, die Menschen zusammenbringen wie gemeinsames Laternelaufen, Aktionen zum Advent und Veranstaltungen im Gemeinschaftssaal und den Wohnanlagen sind wichtiger Bestandteil der genossenschaftlichen Arbeit. Dem trägt auch der Umbau der Geschäftsstelle im Jahr 2009 Rechnung, welcher neben der nun barrierefreien Erreichbarkeit auch zusätzliche Flächen etwa für Ausstellungen, Feste und Ähnliches für unsere Mitglieder bietet. Ergänzt wird dieses Angebot durch sechs Gästewohnungen in der Gartenstadtsiedlung, die unsere Mitglieder nutzen können.


Gemeinschaft ist auch heute noch wichtig, das hat uns die große Beteiligung im Rahmen unseres 100-jährigen Jubiläums im Jahr 2010 gezeigt, zu dem wir unsere Mitglieder zu einem Sommerfest mit historischem Jahrmarkt in die Gartenstadtsiedlung einluden. Rund 4.000 Besucher feierten mit uns bei bestem Wetter und in wunderschöner Umgebung.

Wohnqualität in einem Ballungsraum wie Hamburg ist immer ein aktuelles und brisantes Thema – gerade wenn es darum geht, möglichst vielen Menschen lebenswerten Wohnraum zu vernünftigen Mieten anzubieten. Diese Herausforderung hat sich in den letzten mehr als 100 Jahren nicht grundlegend geändert – auch wenn die historischen Geschehnisse von unterschiedlicher Dramatik waren. Und gerade in der heutigen Zeit, wo der Erhalt von Natur und Umwelt, der schonende Umgang mit unseren Ressourcen sowie zunehmende demografische Probleme die Zukunftsdiskussionen bestimmen, ist die Idee der Gartenstadt und die Besinnung auf die Ursprünge und Anfänge so aktuell wie nie: ein Leben im Grünen, mit genug Platz für alle Generationen, individuelles Wohnen mit der Sicherheit einer starken Gemeinschaft und eine Form von Miteigentumsrechten an wertstabilen Immobilien, die sich jeder leisten kann und keinen über Gebühr belastet.

Fotos: Archiv WGW, Hermann Jansen

Wirtschaftswunder und Fusion: 1960 bis 1980

Schon im Jahr 1959 setzte die Genossenschaft mit der Fertigstellung von Mehrfamilienhäusern in halboffener Bauweise mit vielen Grünflächen Akzente, die für den Bauboom in den folgenden zwei Jahrzehnten kennzeichnend waren:

Mit 128 Wohnungen und 15 Garagen auf dem Gelände Gartenstadtweg/Pillauer Straße/Immergrünweg hatte man sich das erste Mal bewusst vom Doppel- oder Reihenhaus abgesetzt. Mit der Einrichtung von Altenwohnungen, einer Geschäftsstelle sowie Veranstaltungsräumen versuchte die Genossenschaft schon frühzeitig, sich gesellschaftlichen Isolationstendenzen entgegenzuwirken, die sich abzeichneten.

Der Bauboom hielt an

Zwischen 1960 und 1980 entstanden insgesamt 1.352 Wohnungen und 14 Gewerbeobjekte – auch in vielen für die Genossenschaft neuen Stadtteilen Hamburgs. Mit der Fertigstellung der Neubauten „Loheide“ in Rahlstedt (1966) konnten 233 Wohnungen und vier Läden neu im Bestand aufgenommen werden. Dieses Großprojekt führte auch zu einer Verschmelzung mit der „Gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaft der Eisenbahner Hamburg-Ohlsdorfer G.m.b.H.“. 1946 gegründet, hatten die Eisenbahner bis dahin 625 Wohnungen gebaut und zählten 1.081 Mitglieder. Mit der Fusion wuchs die Genossenschaft auf 2.254 Mitglieder mit einem Bestand von 1.588 Wohnungen. Mit dieser breiten Basis konnte die neue „Gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft Gartenstadt Wandsbek – Eisenbahner Ohlsdorf“ weiter erfolgreich wachsen und neue Projekte angehen.

Der Wohnungsbedarf in den 70er Jahren stieg sehr stark an und neue Lösungen waren gefragt. Die Mehrfamilienhäuser wuchsen in den Himmel, vierstöckige Bauten waren das Minimum – bei einem Gemeinschaftsobjekt in Steilshoop realisierte man sogar achtstöckige Neubauten. So konnte die Genossenschaft Ende der 80er Jahre unterschiedlichste Ansprüche in einem wachsenden Wohnungsmarkt erfüllen.

Foto: Hermann Jansen
Foto: Archiv WGW
Foto: Archiv WGW

Der Wiederaufbau – die 50er Jahre

Auch der 2. Weltkrieg hat große Wunden in die Gartenstadt geschlagen:

Über 180 Wohnungen, rund ein Drittel des damaligen Bestandes, gingen in den Bombennächten verloren. In der großen Not mussten die Menschen zusammenrücken, mehrere Familien teilten sich eine Wohnung. Noch im Jahre 1947 war es aus Geld- und vor allem wegen des Mangels an Baumaterial unmöglich, mit dem Wiederaufbau der Ruinen und der schwer beschädigten Häuser seitens der Genossenschaft zu beginnen. Nur der Ausbau in Selbsthilfe rettete viele Häuser vor dem endgültigen Zerfall.

Erst mit der Währungsreform änderte sich das Bild: Mit der Einrichtung der Wiederaufbaukasse flossen auch unterstützende öffentliche Gelder. Doch der Eigenanteil blieb ebenfalls in den Folgejahren hoch. Bis zum Jahr 1950 baten Vorstand und Aufsichtsrat die Mitglieder zu freiwilligen Arbeitseinsätzen. Die Gemeinschaftsarbeit sorgte dafür, dass bis zum 40-jährigen Jubiläum 125 zerstörte Wohnungen wieder hergerichtet werden konnten. Neben der harten Aufbauarbeit entdeckte die Gemeinschaft aber auch erneut das gemeinsame kulturelle Leben und Feiern.

Ab 1951 veranstaltete die Genossenschaft wieder das traditionelle Sommerfest im Festzelt am Immergrünweg/Ecke Gartenstadtweg – neben vielen anderen Musik-, Theater- und Tanzveranstaltungen.

Fotos: Archiv WGW

Gründerjahre und die erste Wachstumsphase bis 1940

Im Hotel „Zum alten Posthause“ trafen sich am 26. Januar 1910 zehn Männer, überwiegend Beamte, und beschlossen die Gründung der „Gartenstadt-Gesellschaft Wandsbek“.

Sie waren beeindruckt von einer Ausstellung der Deutschen Gartenstadt-Gesellschaft Anfang Januar desselben Jahres in Hamburg. In der Ausstellung ging es um englische und deutsche Gartenstädte sowie vielfältige Umsetzungsideen von Hamburger Architekten. Mit Wirkung zum 31. Januar 1910 erfolgte der Eintrag ins Genossenschaftsregister und sofort begann eine rege und erfolgreiche Mitgliederwerbung.

Da die Hamburger Bodenpreise durch Spekulation unbezahlbar waren, erwarb die Genossenschaft auf preußischem Staatsgebiet ein ca. 4,5 Hektar großes Areal des ehemaligen „Helbingschen Gutshofes“ sowie Vorkaufsrechte auf weitere 14 Hektar. In innovativer Bauweise waren bis November 1910 acht Doppelhäuser bezugsfertig und vollständig möblierte Musterhäuser konnten von weiteren Interessenten besichtigt werden. Bis zum Kriegsausbruch wuchs der Bestand auf 188 Wohnungen und acht Läden in sechs Einzel-, 76 Doppel- und vier Reihenhäusern an. Maßgeblichen Anteil am Erfolg hatten die direkte Straßenbahnverbindung zur Hamburger Innenstadt (ca. 30 Minuten) und die Ausstattung der Siedlung mit Marktplatz sowie allen notwendigen Läden und Handwerksbetrieben.

In den Kriegsjahren waren die Möglichkeiten zur Selbstversorgung der Gartenstädter äußerst attraktiv – in vielen Krisenjahren kam es sogar zu Gartenplünderungen. Nach dem Krieg führte die anfängliche Finanznot zu einem behutsameren Wachstum und deutlich einfacher gestalteten Haustypen. Die Inflation stoppte dann sogar jede Bautätigkeit bis 1928. In den Folgejahren wurde aber wieder fleißig gebaut und renoviert: 41 neue Wohnungen kamen bis 1930 neu in den Bestand.

Im Dritten Reich wurden die Gartenstädte dann systematisch durch die nationalsozialistische Ideologie vereinnahmt. So wurden allein in den Jahren 1937/38 über 100 „Volkswohnungen“ nach genau definierten Vorgaben errichtet. Nach einer Zwangsfusion mit der „Gemeinnützigen Baugenossenschaft Wandsbek e.G.m.b.H“ (Gebau) betrug der Bestand der Genossenschaft 575 Wohnungen und 9 Läden bei einer Zahl von 708 Mitgliedern.

Fotos: Archiv WGW